Kaya Yanar und das Brownfacing: Gibt es ein Problem mit "Ranjid"? (2024)

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Kaya Yanar und das Brownfacing: Gibt es ein Problem mit "Ranjid"? (1)

Die Diskussion um angebliche "Cancel Culture", die Freiheit der Kunst und das Bedürfnis der Betroffenen, nicht zum Gespött gemacht zu werden, erfährt gegenwärtig einen neuen Dreh. Deutsche Unterhaltungskünstler machen sich Gedanken darüber, was sie früher gemacht haben - und ob sie das heute auch noch so tun würden. Man könnte es einen Fortschritt nennen.

So hat in der "Süddeutschen Zeitung" Anke Engelke begrüßt, "dass wir heute ein anderes Bewusstsein haben", und sagt:"Blackfacing, Yellowfacing – einige Parodien würde ich nicht mehr machen". Selbstkritisch über die eigenen Leichen im Keller haben sich auch schon Bastian "Wolle Rose kaufe?" Pastewka und, vor einigen Tagen in der Sendung "Walulis Woche", auch Bernd Hoëcker und Kaya Yanar geäußert.

Hoëcker hatte in der Vergangenheit schon Blackfacing betrieben, Yanar spielt bis heute die Figur des Inders "Ranjid": "Darf ich weiterhin Ranjid spielen oder ist das nun ein Tabu?", fragte Yanar nun auf Facebook: "Was meint Ihr? Interessant wären vor allem die Meinungen von InderInnen oder Deutschen mit Indischem Migrationshintergrund zu dem Thema."

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Alles an dieser Frage ist interessant. "Ranjid" selbst, das "ich", das "nun", das "Tabu" und der Umstand, dass Yanar "vor allem die Meinungen" der möglicherweise Betroffenen interessiert – wenn auch nur jener, die ihm ohnehin auf Facebook folgen. Die Erkundigung – und die Antworten darauf – zeigen auch das Gespenstische dieser Debatte.

Von einem "Tabu" kann keine Rede sein

Das "ich" ist ein 47-jähriger Comedian aus Frankfurt, der seinen eigenen Migrationshintergrund komplett zum Verschwinden gebracht hat. Sein Wirken (vor allem mit der Sendung "Was guckst du?!" auf Sat.1) war von Anfang an multikulturell ausgerichtet und hat der Komödie auf Basis ethnischer Unterschiede in Deutschland überhaupt erst den Weg bereitet.

Neben "Ranjid" gehörten auch "Franceso" (Italiener und Gigolo), "Hakan" (Türke und Türsteher), der namenlose "Sirtaki-Mann" (Grieche) und die Wahrsagerin "Olga" (Deutsche) zu seinem Repertoire. In späteren Sendungen widmete er sich dezidiert Klischees über Deutsche ("Geht’s noch?! Kayas Woche").

Das "nun" ist nicht ganz treffend. Wirklich in Ordnung war Black- oder Brownfacing schon früher nicht. Anders ist nur, dass Betroffene selbst – oder deren moralische Anwälte mit erschlichenem Mandat zur Empörung – sich "nun" besser Gehör verschaffen können. Von einem "Tabu", über dessen Einhaltung eine selbsternannte Humorpolizei wachen würde, kann allerdings keine Rede sein.

Kaya Yanar und das Brownfacing: Gibt es ein Problem mit "Ranjid"? (2)

Die überwiegende bis überwältigende Mehrzahl der immerhin mehr als 3000 Antworten auf Facebook sind zustimmend, sie reichen von"Unbedingt, mein Schwiegersohn ist Inder und findet Dich toll, also Ranjid muss bleiben" über "Ich bin Inderin ( meine Eltern aus Punjab) und ich habe nichts dagegen wenn du weiterhin Ranid spielen willst (…) Ich habe das niemals als Diskriminierung gesehen!" bis "Nur weil ein paar mit ihrer Einstellung jetzt die Welt retten wollen, darf Humor trotzdem bleiben".

Sein Schöpfer hat diesen "Ranjid" inzwischen diversifiziert, wie Konzerne es mit erfolgreichen Produkten machen. Es gibt inzwischen mehr "Ranjids", als der Vielvölkerstaat Indien Ethnien hat. "Ranjid" war unter anderem schon Putzkraft, Agent, "Computer-Inder" und Rekrut – wofür Yanar eben gerade einen sympathischen, aber, weil kulturfremd, leicht begriffstutzigen Protagonisten brauchte.

Yanar selbst schreibt, es habe in 20 Jahren noch "keine einzige Beschwerde" gegeben: "Auch von Indern kam bisher nur Zuspruch. Wurde sogar auf Indische Hochzeiten eingeladen...". Er problematisiert ganz alleine, was ihm niemand vorgeworfen hat. Warum? "Diese ganze Diskussion, die finde ich großartig", sagte er dem SWR: "Die zwingt uns Komiker dazu, zu reflektieren. Darüber nachzudenken: Was haben wir da eigentlich gemacht? Was gar nicht so einfach ist. Denn vor 20 Jahren galten ganz andere gesellschaftliche Maßstäbe." Im Grunde müsste man, so Yanar weiter, "den ganzen Zeitgeist, der damals herrschte, angreifen".

Nun ist Inder nicht gleich Inder in der Komödie, und nur selten wird er von einem Inder dargestellt. Die Blaupause für beinahe alle folgenden Inder in westlicher Darstellung ist der irrlichternde Filmstatist Hrundi V. Bakshi, den Peter Sellers – inklusive Brownfacing – 1968 in "Der Partyschreck" verkörperte. Der wohl wirkmächtigste Inder in der Popkultur aber dürfte die Figur des Apu Nahasapeemapetilon in "Die Simpsons" sein.

Der Leiter des Kwik-E-Marktes war über Jahrzehnte der einzige Migrant südostasiatischer Abstammung, der überhaupt im US-Fernsehen zu sehen war, und ist eigentlich eine recht smarte Figur. Dennoch wurde auch an dieser Darstellung problematisiert (u.a. in der Dokumentation "The Problem With Apu", 2017), dass sie über den Humor rassistischem Mobbing Vorschub leisten würde.

Ist "Ranjid" noch zeigemäß und lustig?

Apu ist noch immer Teil der "Simpsons", deren Macher sich in einer Episode direkt mit dem Problem auseinandersetzten – und scheiterten: "Etwas, das vor Jahrzehnten noch bejubelt wurde und nicht als beleidigend galt, ist jetzt politisch inkorrekt. Was soll man da machen?", fragt Lisa ratlos.

Yanars Erkundigung bei Facebook ist lobenswert, weil er offenbar selbst unsicher ist, den Diskurs selbst anstößt und sich nicht, wie manche seiner Kollegen, als verfolgter Künstler inszeniert. Repräsentativ sind die Antworten aber nicht, wertvoll höchstens für den Comedian als Marktforschung in eigener Sache.

Ebenso gut hätte Yanar bei der indischen Botschaft oder sich selbst nachfragen können, ob sein Ranjid noch zeitgemäß und lustig ist. Niemand zwingt ihn, seinen Inder dem Zeitgeist zu opfern. Wenn aber die Kunstfigur wirklich etwas taugt, sollte sie sich selbst in die aktuellen Diskurse stürzen und dazu etwas beitragen können.

Anstatt, wie es in ihrer aktuellen Schwundstufe der Fall ist, mit "komischem" Akzent Computerspiele bei Twitch zu kommentieren.

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